Schön & schlau & dünne Beine

Berlin, den 23. April 2023

Liebe Leser:innen!

Eigentlich wollte ich am Wochenende mal Medienbubble-Pause machen. Nach einer Woche, in der es nur um ENTHÜLLUNGEN und ABGRÜNDE ging und zu allem Überfluss ab Freitagabend mein Instagram-Kanal von dutzenden Bundespresseball-Selfies geflutet wurde (die Journalistenszene feierte sich selbst im Adlon, bisschen ironisch nach der Woche, aber ok), hatte ich genug. Am Samstagmorgen ging ich Lotto spielen (apropos Dasein in der Medienszene, wenn man keine Blanko-Autoren-Verträge über mehrere 10.000 Euro im Monat abgeschlossen hat). Im Kiosk meines Vertrauens blickten mich aus dem Zeitschriftenregal zwei Männer an, denen ich ja entkommen wollte: Mathias Döpfner auf dem „Stern“-Cover („Der Quer-Denker“), Benjamin von Stuckrad-Barre auf dem „Spiegel“ („Wie viel Wahrheit steckt in ihrem Roman, Herr von Stuckrad-Barre?“).

Schon interessant: In einer Woche, in der es um MISSTÄNDE, MACHTMISSBRAUCH, ABRECHNUNGEN und AUFARBEITUNGEN gehen sollte, ging es am Ende nur um – Männer. Um zerbrochene Bromances. Um Rechtfertigungen und Ansprüche an die Wahrheit: Mathias Döpfner: „mein Handy ist mein Blitzarbeiter“, Stuckrad-Barre: „ein Roman kann wahrer sein als die Wirklichkeit“. Um Interpretationshoheit: In der „Zeit“ erzählte Volker Weidermann den Inhalt von „Noch wach?“ nach und nannte das „Kritik“, in der „Heute Show“ veralberte Dietmar Wischmeyer den ganzen „Medienskandal“, nur bei der „Süddeutschen“ und der „FAZ“ war man schlau genug, Frauen rezensieren zu lassen (hier und hier lesen).

Um wen es diese Woche irgendwie nur indirekt oder am Rande ging: um Frauen. Sie kamen höchstens als Opfer vor, etwa im von Jan Böhmermann produzierten Investigativ-Podcast „Boys Club“, in dem es um “Macht und Machtmissbrauch" bei “Bild” geht. Oder als fehlplatzierte Moderatorinnen, die, wenn ihr Ehemann Minister ist, lieber auf ihre Karriere verzichten sollen. Oder eben, wie in Stuckrad-Barres Roman, als heitere, gleichzeitig skrupellose Nebenfigur, deren „Rollenprosa“, wie es im Buch heißt, einzig dazu dient, eine War-das-#metoo-oder-vielleicht-doch-nicht-Medienkarriere zu illustrieren.

Das waren so in etwa die Rollen, die Frauen diese Woche zugewiesen wurden in der Medienszene. Naja, bis sie als funkelnde PRINZESSINNEN wieder in Erscheinung treten durften auf dem Bundespresseball.

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