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Was sind Pick Me Girls und bin ich eins?! + Ticket fürs ada lovelace Festival zu gewinnen!
Was will uns Sophie Passmann mit ihrem neuen Buch eigentlich sagen? | Das Lebenswerk von Lore Maria Peschel-Gutzeit | Mega-Verlosung: ein Ticket fürs Zukunftfestival Ada Lovelace im Wert von 999 Euro gewinnen!
Herzlich willkommen bei Sunday Delight! Ich bin Julia Hackober, Journalistin in Berlin, und in diesem Newsletter lassen wir die Woche gemeinsam ausklingen.
Diese Woche geht es hier um:
Was will uns Sophie Passmanns mit ihrem neuen Buch eigentlich sagen? Eine Kritik (Achtung, long read!)
Lebenslanger Kampf um Frauenrechte: Nachruf auf Lore Maria Peschel-Gutzeit
Poprock vom Feinsten: Olivia Rodrigos neues Album “Guts”
Konsumopfer: Wiesn-Shopping mit Brezn/Brezel-Ohrringen
PLUS: Megacooles Gewinnspiel! Ihr könnt ein Ticket im Wert von 999 Euro für das Ada Lovelace Festival gewinnen, eine interaktive Konferenz in Berlin, die Euch fit macht fürs Arbeitsleben der Zukunft - mehr Infos unten!
Viel Spaß beim Lesen. Und vergesst nicht, den Newsletter an alle weiterzuleiten, die sich auch für die Themen interessieren könnten. Sharing is caring 🙂 ❤️

Brief von Julia
Liebe Leser:innen!
Manchmal denke, es gibt unter deutschen Schriftsteller:innen nur zwei Sorten:
Solche, die als Jugendliche sehr gern ins Freibad gingen und über diese „unvergesslichen Sommer“ später träumerische Bücher schreiben. (Also Männer.)
Und solche, die das Schwimmbad hassten, sich für den eigenen Körper schämten und diese traumatisierenden Erfahrungen als Erwachsene feministisch-literarisch aufarbeiten müssen. (Also Frauen.)
Wie ich darauf komme?
Weil ich diese Woche Sophie Passmanns neues Buch „Pick Me Girls“ gelesen habe, in dem es darum geht, wie Jugenderfahrungen das spätere Frausein prägen – unter anderem wird das daran festgemacht, wie man sich mit 13 im Freibad gab: Hat man Surfshorts getragen oder Bikini? Ist man Jungs hinterhergerannt und hat sich gegenseitig untergetunkt, oder lag man vermeintlich cool auf dem Handtuch im Schatten? Hat man versucht, eine von den Jungs zu sein oder sich früh als Zielobjekt männlicher Begierden verstanden? War mein ein langweiliges Durchschnittsmädchen oder ein “Pick Me Girl”, das irgendwie anders war als alle anderen?!
Zugegeben: Ich hatte vom Begriff “Pick Me Girls” noch nie vorher gehört, vielleicht, weil es, wie ich bei der Lektüre feststellte, doch Menschen gibt, die NOCH mehr Zeit im Internet verbringen als ich.
Jedenfalls stammt der Begriff wohl von TikTok und beschreibt, wie Mädchen und junge Frauen sich auf eine bestimmte Art und Weise darum bemühen, dem männlichen Anspruch zu genügen – nämlich, indem sie anders sein wollen als andere Frauen. Also, anders als die gängige Fassung von Klischeeweiblichkeit: locker statt anstrengend, lustig statt zickig, planlos statt ehrgeizig. “Pick Me Girls” sind so chillig, dass sie sich mühelos in eine rülpsende Männergang einfügen können; sie trinken Bier, sie fahren Skateboard, sie lachen über Möpse-Witze. Sie gehören zu den “Dudes”, denn andere Frauen sind ihnen viel zu anstrengend.
Ich weiß schon, welches Verhalten Sophie Passmann meint. Es geht darum, Männer bei einer Party entscheiden zu lassen, welche Musik gehört wird, weil sie den “guten” Musikgeschmack für sich reklamieren. Es geht darum, im Mai trotz Angst vor Blasenentzündung in einen eiskalten See zu springen, weil man vor einem Mann nicht als empfindliche Prinzessin dastehen will (apropos Schwimmbad-Erlebnisse). Es geht darum, sich einzubilden, wesentlich tiefgründiger über die Welt zu denken als die langweiligen anderen Frauen, die sich nur für Schminke und Taylor Swifts Liebesleben interessieren.
Sophie Passmann führt den Hang von Frauen, immer ein bisschen cooler sein zu wollen als andere Frauen, auf eine Identitätskrise zurück, die, natürlich, in Selbsthass made by Patriarchat wurzelt. Wie sie selbst diese Krise erkannt, analysiert und überwunden hat, das wird auf gut 200 Seiten auseinandergesetzt; persönlich, aber nie sehr konkret (ich meine, wer war mit 13 Jahren nicht verunsichert, wie man sich im Freibad zu verhalten habe?!).
Die Allgemeingültigkeit ist Prinzip: Sophie Passmann schreibt im Vorwort, dass sie jungen Frauen das Leben leichter machen wolle, ihr Buch sei nicht weniger als „das Buch, das sie mit 14 Jahren gebraucht hätte.“ Genau wie sie selbst jeden Tag versuche, die Frau zu sein, die sie mit 14 Jahren gebraucht hätte. Das ist natürlich eine mit phänomenalem Selbstbewusstsein vorgetragene Eitelkeit, für die ich Sophie Passmann sehr schätze: Sie gehört nicht gerade zu den Tiefstaplerinnen der Medienszene, und das gefällt mir an ihr.
Dennoch frage ich mich, was, mal abgesehen von der Erkenntnis, dass manche Lebenserfahrungen ziemlich universell sind, die Botschaft des Buches für 14-Jährige sein soll (und natürlich auch für 33-Jährige). Passmann schreibt: “Als Teenagerin überstieg es meine Vorstellungskraft, dass vielleicht nicht jede, aber die meisten Frauen um mich herum Selbstzweifel hatten, Selbsthass, Scham (…).Ich denke viel darüber nach, wie meine Jugend wohl ausgesehen hätte, wenn ich mit einem Grundverständnis dafür durch die Gegend geirrt wäre, dass ich nicht alleine bin.”
Puh. Ich persönlich habe mit 14 am liebsten Bücher von Brigitte Blobel gelesen (heimlich, weil meine Mutter mir eigentlich die “Buddenbrooks” hingelegt hatte), in der die Heldin meist ein großes Problem hatte, zum Beispiel Magersucht, das sie mit der Hilfe von verständnisvollen Eltern, Lehrern und Freunden letztlich überwand und gereift, erwachsener und fröhlicher aus der Krise hervorging. Das hat mir gefallen: Am Ende stand für mich die Hoffnung, dass der Hormon-Horror in ein, zwei Jahren vorbei sein würde, und dass man dann ein selbstbewusstes Leben als erwachsene Frau starten würde.
Würde ich mit 14 Jahren hingegen Sophie Passmanns Abhandlungen über “Pick Me Girls” lesen, hätte ich vermutlich große Angst, dass der ganze Stress und die vielen Unsicherheiten, die man bislang auf die Pubertät geschoben hatte, einen nun ernsthaft noch 15 Jahre oder NOCH LÄNGER begleiten werden. HIIIIILFEEEE!
Mit 33 denke ich, dass Passmann mit ganz vielen Gedanken und Beobachtungen recht hat. Dass ich aber auch ein wenig müde geworden bin, dauernd davon zu lesen, wie doof sich Frauen oft verhalten und dass sie das mal checken müssen, auch wenn sie nichts für ihr Verhalten können, weil: Patriarchat.
Weder habe ich Lust, mich selbst gedanklich in eine formlose Masse von Frauen einzusortieren, die alle in Endlosschleife die gleichen Fehler machen, weil sie es nicht besser wissen – noch finde ich es legitim, sämtliche meiner eigenen komischen Gedankengänge in Bezug auf andere Frauen auf das System abzuwälzen. Ich finde, man kann sich schon proaktiv dazu entscheiden, ob man beim Abwerten von Frauen mitmacht oder ob einem die Anerkennung von Männern, egal ob im Freibad, in Beziehungen oder im Berufsleben, wichtiger ist, als sich selbst gut zu finden.
Das muss man üben und sich häufig selbst ermahnen, man macht Fehler und man lernt dazu. Das gehört zum Leben dazu, und diese Erkenntnis fehlt mir in Passmanns Buch. Für mich ist das ist der Punkt, an dem das Buch für mich am meisten schwächelt: Wenn “Pick Me Girls” nur dazu gedacht ist, jungen Frauen zu signalisieren, nicht so hart mit sich selbst und anderen Frauen ins Gericht zu gehen, dann ok.
Aber viel interessanter als mit 30 mitleidig und verständnisvoll auf Teenager-Verwirrungen zu blicken, ist doch, wie man als erwachsene Frau das Thema “Pick Me Girl” angeht: Macht man da insgeheim immer noch mit – oder schafft man es, endlich mal so zu sein, wie man wirklich ist? Ohne Rücksichtnahme auf das, was Männer gern lesen, hören, sehen, anfassen wollen?
(Auf Antworten bin ich sehr gespannt, also schreibt mir gern!)
Und jetzt viel Spaß mit dem Rest des Newsletter!
Habt einen tollen Start in die Woche
Eure Julia
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Zukunft, Technologie, New Work: Ein Ticket im Wert von 999 Euro für das Ada Lovelace Festival zu gewinnen!
Müssen wir jetzt alle Programmieren lernen?! Falls Ihr Euch das auch manchmal fragt, wenn es um Themen rund um das Arbeitsleben der Zukunft geht, dann könnte euch das Ada Lovelace Festival in Berlin interessieren, benannt nach der Mathematikerin und ersten Erstellerin von Computerprogrammen: Am 14. und 15. September geht es hier zwei Tage lang um einen Blick hinter die Kulissen zukunftsweisender Technologien; um die Frage, wie wir künftig arbeiten werden – und welche Skills man dafür braucht. (Also endlich mal eine Konferenz, auf der es nicht nur um Netzwerk-Gelaber geht, sondern auf der man wirklich was lernt!)
Leider bin ich kommende Woche nicht in Berlin, sonst würde ich sofort hingehen – und mir z.B. den “Ask Me Anything”-Talk mit Verena Pausder anhören oder den Deep Dive zu Ethik und Ästhetik von generativer KI mit Juristin und Aktivistin Micaela Mantegna.
Initiiert wurde das Festival übrigens von den Digitalexpertinnen Léa Steinacker und Miriam Meckel, die auch die Bildungsplattform ada gegründet haben. Weitere Infos und das vollständige Festival-Programm findet Ihr hier.
Wer das Ticket gewinnen will, antwortet einfach bis Montagabend, 11. September 2023, 20 Uhr auf diesen Newsletter mit vollständigem Namen und Adresse. Viel Glück und viel Spaß auf der Konferenz! 🍀
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